Yip Man

Yip Man

Die Geschichte des Großmeisters Yip Man

Falls ihr jemals in einer Wing-Chun-Schule gewesen seid, dann hing dort sicher ein Schwarz-Weiß-Foto von einem älteren Mann an der Wand, wie man es von vielen Kampfkünsten kennt. Darunter kamen vielleicht noch andere Meister, aber der Mann ganz oben war wahrscheinlich der Großmeister Yip Man, den man vielleicht auch den Vater des Wing Chuns nennen könnte.

Geboren wurde er 1893 als drittes von vier Kindern einer angesehenen Familie. Zur Überraschung aller zeigte er Interesse an den Kampfkünsten, was zu dieser Zeit eher Bürgern niedrigeren Standes zugeschrieben wurde.

So begann er ca. 1905 sein Wing-Chun-Studium bei Meister Chan Wah Shun, nachdem dieser in den Räumlichkeiten der Familie Yip eine Kung-Fu-Schule eröffnete. Den Respekt seines Meisters musste er sich hart verdienen, da er stets mit den Vorurteilen seines Meisters zu kämpfen hatte, der ihn für einen zarten, verzogenen Jungen hielt. Durch seine Zielstrebigkeit konnte er seinen Meister schließlich von sich überzeugen und blieb ihm bis zu dessen Tod 1908 treu. Danach verließ Yip Man Foshan, um seine Ausbildung in Hongkong fortzusetzen.

Dort lernte er weiter von Meister Leung Bik, der einen ganz anderen Lehrstil verfolgte. Er legte nicht nur Wert auf den Kampf, sondern auch auf Philosophie. Während seiner Zeit am College kam es immer wieder zu Raufereien, bei denen sich Yip Man sehr oft gegen seine meist größeren, europäischen Mitschüler durchsetzen konnte, sodass das erste Treffen mit seinem neuen Meister eine besondere Bedeutung für ihn hatte.

Ein Klassenkamerad wies ihn auf einen besonders starken Kung-Fu-Kämpfer in der Firma seiner Eltern hin. Yip Man zögerte nicht lange und forderte ihn heraus. Der Fremde erklärte, dass er nur abwehren würde, und provozierte den selbstbewussten jungen Kämpfer. Dieser musste sich schnell geschlagen geben. Es stellte sich heraus, dass der fremde Kämpfer der Sohn des Meisters von Chan Wah Shun war.

In den nächsten Jahren trainierte er bei Leung Bik, der ihn in all seine Geheimnisse einweihte. Erst nach dessen Tod 1912 kehrte Yip Man in seine Heimatstadt zurück, unterrichtete einige wenige Schüler und wurde bekannt, nachdem er den Anführer eines anderen Stils besiegte.

Als er im Zweiten Weltkrieg während der japanischen Besatzung sein Hab und Gut verlor, nahm er das einzige Mal in seinem Leben einen Job an: Er wurde Polizist und arbeitete in führender Position.

Nach Beendigung der Besatzung zog er zurück nach Hongkong, in der Hoffnung, bessere Bedingungen für seine Familie zu schaffen. Bis dahin hatte er sich immer an die Prinzipien von Yim Wing Chun gehalten, die eine Verbreitung der Kampfkunst nicht vorsahen. Aufgrund der Armut ließ er sich jedoch überreden, Kung-Fu-Lehrer zu werden. Nach einer ersten Durststrecke erkannte die Polizei die Stärken der Kampfkunst, sodass die Schülerzahl stetig wuchs.

1954 kam es zu der wohl berühmtesten Begegnung in Yip Mans Leben: Der 13-jährige Bruce Lee trat in Yip Mans Leben. Der kleine Hitzkopf lernte fleißig bei seinem neuen Meister, geriet aber immer wieder durch Straßenkämpfe in Schwierigkeiten. So kam es, dass Bruce Lee schließlich angezeigt wurde und seine Familie beschloss, ihn nach Amerika auswandern zu lassen. So endete seine Lehrzeit bereits nach fünf Jahren. Dort wurde er zum bekanntesten und erfolgreichsten Kampfkünstler, Kampfkunstlehrer, Autor und Filmdarsteller des 20. Jahrhunderts und ist noch heute für viele Kampfkünstler ein Vorbild. Im Laufe der Zeit entwickelte Bruce Lee auf Basis des Wing Chuns und weiteren Einflüssen die Kampfkunst „Jeet Kune Do“.

Trotz seines Erfolges sah Bruce Lee Yip Man immer als seinen Meister und besuchte ihn auch später noch regelmäßig.

1967 gründete Yip Man die „Hong Kong Ving Tsun Athletic Association“, um sicherzustellen, dass das Wing Chun auch nach seinem Rückzug aus dem Lehrbetrieb auf hohem Niveau weiter praktiziert und gelehrt wird.

Dies war die Geburtsstunde des internationalen Wing Chun und ebnete den Weg für die Verbreitung auf der ganzen Welt.

1970 zog er sich endgültig aus dem Schulalltag zurück und übergab seinem Schüler Leung Ting seine Schulen.

1972 verstarb er, gezeichnet von seiner Krankheit. Meister verschiedenster Stile erwiesen ihm die letzte Ehre.