Leung Ting – Wing Chun wird international
Leung Ting gründete bereits 1969 als Schüler von Yip Man die „International Wing Tsun Martial-Art Association“.
Nach Yip Mans Tod trug er dessen Vermächtnis in die ganze Welt, bis es 1976 auch in Europa bekannt wurde. Besonderer Fokus lag auf Deutschland, wo sein Schüler Keith R. Kernspecht das System bekannt machte.
Durch dessen Einfluss gibt es in Deutschland, nach China, die meisten Wing Chun-Praktizierenden.
Keith R. Kernspecht – Wing Chun in Deutschland
Keith R. Kernspecht wurde 1945 geboren,studierte Latein, Griechisch, Philosophie und Rechtswissenschaften, bis er sich Ende der 50er Jahre der Kampfkunst widmete.
Er sammelte Erfahrungen in so ziemlich allen Stilen, die man finden kann, und gründete 1967 den Budo-Zirkel Kiel. Nachdem er 1975 Leung Ting zu einem Lehrgang einlud, wurde er einer der größten Influencer für das Wing Chun in Deutschland. Bereits ein Jahr später gründete er den Verband, der heute unter „EWTO“ bekannt ist.
Dieser ist heute der größte Kampfkunstverband und polarisiert die Wing Chun-Gemeinde wie kein anderer.
Eine Kampfkunst zersplittert
Durch die steigende Beliebtheit in Deutschland und die stetig größer werdenden Mitgliederzahlen entwickelten sich natürlich auch Machtstrukturen, und Geldinteressen rückten immer stärker in den Vordergrund. Meister nutzten ihre Möglichkeit, sich zu etablieren und Anhänger um sich zu scharen.
Die Kunst an sich geriet immer mehr aus dem Fokus. Es entstanden die üblichen Rivalitäten und Konflikte. Das „höhere Wissen“ und die „Meistertechniken“ wurden nur den zahlenden und eingeschworenen Mitgliedern zuteil. Nicht jeder Meister war bereit, seine Schüler auf die gleiche Wissensstufe zu heben.
Aus Frust über das etablierte System hörten viele Schüler irgendwann auf und machten sich selbstständig, auch wenn die Ausbildung noch nicht vollständig abgeschlossen war. So entstanden in den letzten Dekaden viele unterschiedliche Stile, Interpretationen und Bezeichnungen dieser Kampfkunst.
Durch die anfängliche Monopolstellung und die hohe Nachfrage nach dieser Kampfkunst wurden für die Überlieferung und Lehre dieses Stils fast jeder Preis gezahlt. Eine vollständige Meisterausbildung konnte schon mal den Wert eines Einfamilienhauses betragen.
So hat sich Wing Chun zu einer der teuersten Kampfkünste entwickelt. Der eigentliche Kern – die Liebe zur Kunst und ihren Geschenken – ging verloren.
Die Renaissance – Wing Chun beginnt zu fließen
Doch auf jede Aktion erfolgt eine ebenso starke Gegenreaktion, die nach Ausgleich strebt. Besonders die junge, neue Generation der Wing Chun-Praktizierenden hat keine Lust auf starre Strukturen und veraltete Lehrmethoden.
Sie blicken hinter die Kulissen und wollen keinem selbsternannten Guru folgen oder in sektenartigen Verhältnissen unter Großmeistern katzbuckeln.
Sie haben die Freude an der Bewegung wiederentdeckt. Es geht darum, das zu tun, was man liebt – fernab von ungerechter Selbstbereicherung.
Das ehemalige Monopol existiert nicht mehr, und der Markt reguliert sich selbst.
Viele gute und weniger gute Schulen entstehen, und es entsteht eine nie dagewesene Diversität.
Diese noch sehr junge Kampfkunst hat jetzt die Möglichkeit und das Potenzial, sich aus den selbstauferlegten Fesseln zu befreien und sich in den nächsten Jahren zu einer bedeutenden und für jedermann/-frau bezahlbaren Kampfkunst zu erheben, um endlich ihren Platz in der Welt zu finden.
Und genau das ist unser Ziel!